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Rot, rund, süß: die Leithaberger Edelkirsche

Leithaberger Edelkirsche Früchte

Wo vor wenigen Wochen noch ein bezauberndes weißes Blütenmeer wogte, blitzen nun die ersten tiefroten Kirschen zwischen den Blättern hervor. An den Hängen des Leithagebirges startet die Ernte der Leithaberger Edelkirsche. Und wie in alten Zeiten dreht sich nun einige Wochen alles um die sinnliche Frucht.

Radfahren & Kirschen pflücken

Wen versetzt es nicht in die Kindheit, wenn er auf einen Kirschenbaum klettert und sich die süßen Früchte direkt in den Mund stopft? Doch wer auf den Radwegen zwischen Neusiedler See und Leithagebirge unterwegs ist, hat einen Vorteil: er muss die Kirschen nicht aus Nachbars Garten stehlen!

Vor einigen Jahren schon hat die Region begonnen, Kirschenbäume, die schon immer die Landschaft prägten, wieder zu kultivieren und pflanzte tausend neue Bäume. Auch entlang des beliebten Kirschblüten-Radweges, so dass man nun einen ausgedehnten Spaziergang oder eine Radtour damit verbinden kann, sich Kirschen direkt vom Baum zu pflücken. In der Kirschblütenregion kann man den Zauber der anmutigen Kirschblüte, den sinnlichen Genuss der roten Früchte mit dem unendlich weiten Neusiedler See-Panorama und den Weinbergen verbinden.

Leithaberger Edelkirschen: 8 alte Sorten

Das Besondere daran ist, dass es sich dabei um ein Projekt handelt, dass alte Sorten bewahrt, kultiviert und vermehrt. Die Initiative dazu ist dem Verein Leithaberger Edelkirsche zu verdanken, die die Kirsche auch als Genussregion positionierte. In Zusammenarbeit mit der Universität für Bodenkultur identifizierte sie acht spezifische Sorten, die vermehrt wurden und in Sortenerhaltungsgärten in den Gemeinden, entlang der Radwege und in Gärten, Feldern und Fluren ausgepflanzt wurden. Ihre Namen sprechen eine alte Sprache: Bolaga, Donnerskirchner Blaukirsche, Frühbraune aus Purbach, Joiser Einsiedekirsche,  Hängerte, Schachl, Spätbraune aus Purbach und Windener Schwarze. Jede von ihnen hat einen eigenen Geschmack und ihre Farbe reicht von hellrot bis beinahe schwarz.

Auch die Slow Food Foundation for Biodiversity hat die alten Leithaberger Kirschenraritäten in ihre „Arche des Geschmacks“ aufgenommen, in dem fast vergessenen traditionelle und vom Aussterben bedrohte Lebensmittel katalogisiert und geschützt werden.

Kirschbörse: Bringt Eure Kirschen!

Doch nicht nur an Naschkatzen richtet sich die Initiative. Jeder, der einen oder mehrere Kirschbäume im Garten hat, kann sich an diesem regionalen Projekt beteiligen. Sinn des Vereins Leithaberger Edelkirsche ist ja der Erhalt einer traditionellen landwirtschaftlichen Kultur, alter Sortenraritäten und eine Wiederbelebung der kulinarischen und wirtschaftlichen Kirschentraditionen.

Deshalb ist es Rosi und Andrea Strohmayer, die neben ihrem Engagement beim Verein Leithaberger Edelkirsche auch ProduzentInnen sind,  sehr wichtig, dass die Kirschen in den privaten Gärten und Feldern auch geerntet werden. Dafür wird natürlich auch bezahlt: zwischen €1,80 und €2,20 zahlt die Kirschen-Genussquelle in Breitenbrunn für 1 Kilo Kirschen aus einer der fünf Gemeinden zwischen Jois und Donnerkirchen. Aufgepasst: Die Früchte sind ohne Stiel gefragt, denn in der Genussquelle werden sie weiterverarbeitet und veredelt. Alte Sorten und große Früchte erzielen die besten Preise.

Leithaberger Edelkirsche Kirschbaum

Ein großer alter Kirschenbaum kann in guten Jahren schon mal 100 Kilo Früchte tragen. Wer ambitioniert Marmeladen kocht, kann vielleicht 30 Kilo verarbeiten. Den Überschuss kann man nun an der Kirschbörse verkaufen. In einer Stunde schafft man eine Ernte von 6 Kilo. Wer nicht selbst ernten will, kann sich auch melden: einige Erntehelfer sind unterwegs, die die händische Ernte auf hohen Leitern auch übernehmen können. Auch so will man verhindern, dass alte Kirschenbäume umgeschnitten werden, wenn die Arbeit damit überhandnimmt.

In einem guten Jahr wie 2017 kaufte die Kirschen-Genussquelle 5 Tonnen Kirschen von privaten Baumbesitzern aus der Region. Heuer sieht es nicht so ergiebig aus. Die extreme Trockenheit im Nordburgenland setzte den Bäumen zu, Jois hatte Frostschäden und an einigen Bäumen machte sich der Frostspanner breit.

Doch abgesehen vom Zuverdienst: die Früchte werden genutzt, statt am Boden zu verfaulen, aus leicht verderblichem Obst wird ein kulinarischer Botschafter des guten Geschmacks und ein Zeichen des Respekts vor altem Handwerk. Und ein sinnlicher Genuss aus dem Burgenland.

Der Reichtum der Bäuerinnen

Denn auch der Kirschenmarkt knüpft an die alten bäuerlichen Traditionen an: Seit dem 18. Jahrhundert werden an den Hängen des Leithagebirges Kirschen kultiviert. In der Zwischen- und Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts erlebte der Kirschenanbau seine Blüte. In den Gemeinden zwischen Jois und Donnerskirchen standen zwischen 50.000 und 75.000 Bäume. Die alten Leute, viele davon Gründungsmitglieder des Vereins Leithaberger Edelkirsche, erinnern sich noch an die Händler, die mit Pferdefuhrwerken kamen, um Kirschen zu kaufen.

Denn sie galten auf den Wiener Märkten als frühe Delikatesse und die Kirsche war ein wichtiges Einkommen nach einem langen, kargen Winter. So bedeutend, dass die Kinder für die Zeit der Kirschenernte schulfrei bekamen, um mitzuhelfen! Während die Männer oft beim Schilfschneiden im Winter ein Zubrot verdienten, kamen die Kirschen den Bäuerinnen zugute.

Dank des milden Klimas am Neusiedler See reifen die Leithaberger Edelkirschen sehr früh im Jahr heran. Doch die typischen Streuobstwiesen und vereinzelten Standorte inmitten von Gärten, Feldern oder Weingärten fielen bald der maschinellen Landwirtschaft zum Opfer. Die Ernte der Kirschen per Hand war – und ist immer noch – sehr arbeitsintensiv. Der Bestand wurde auf 5000 Bäume in der Region reduziert. Dazu kam, dass frische Kirschen sehr rasch gegessen oder verarbeitet werden müssen, sodass sie im Handel nicht sehr beliebt waren.

Leithaberger Edelkirsch-Produkte

Aus diesen Gründen galt es auch, moderne Produkte zu entwickeln und diese auch von lokalen ProduzentInnen herstellen zu lassen. Auch die Gastronomie ist mit an Bord und zaubert im Juni Kirschengerichte auf die Teller.

Rosi und Andrea Strohmayer sind ab Ende Mai jedenfalls im Einsatz: die Bäume müssen geerntet werden und rasch verarbeitet werden. Dazu müssen sie entkernt werden. Ein Teil wird eingefroren, um der Gastronomie jederzeit Edelkirschen zur Verfügung stellen zu könne. Der Großteil aber wird zu reinem, zuckerfreien Kirschen-Direktsaft, Kirschen-Frizzante, sortenreinen Marmeladen, Chutneys und Kirschensenf veredelt. Andere ProduzentInnen des Vereins Leithaberger Edelkirsche stellen Kirschlikör, Kirsch-Brot, Kirsch-Würstel, Kirschen-Schokolade oder Essig her.

Leithaberger Edelkirsche Produkte

Der Kirschenmarkt und die kulinarischen Kirschenwochen im Juni fielen heuer der Ausnahmesituation rund um das Corona-Virus zum Opfer. Die Produkte aber sind im Shop der Genussquelle oder bei Märkten, Messen, Gastronomen und im regionalen Handel erhältlich.

Andrea Strohmayer bietet auch geführte Wanderungen von der Kirschblüte im April bis in den Herbst an, die mit der Verkostung sortenreiner Marmelade und anderer Spezialitäten versüßt wird. Schulen und Kindergärten, aber auch Firmen und Familien kommen gerne, um die Geheimnisse der süßen Früchte zu erforschen und zu erschmecken.

Leithaberger Edelkirsche Kindererlebnisführung

Und jedes der Edelkirschenprodukte erzählt eine Geschichte über die alten Streuobstwiesen, die harte Arbeit der Bäuerinnen, und wie man die Sortenvielfalt und bäuerlichen Traditionen mit Wertschätzung und Initiative erhalten und wiederbeleben kann!

Und nun… kommt Kirschen pflücken!

Links

Kirschenbörse /Kirschen-Genussquelle Breitenbrunn
Verein Leithaberger Edelkirsche
Slow Food
Genussregion Leithaberger Edelkirsche

Fotos: Kirschen-Genussquelle Strohmayer, pixabay