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Sautanz bei Max Stiegl

Schweinsbraten Max Stiegl

Es ist ein saugutes Fest! Max Stiegl zelebriert den burgenländischen Sautanz – eiskalt, archaisch & kulinarisch. Wenn die Sau am Sauream hängt, geht es los. Der Vormittag ist den Innereien gewidmet: Hirn mit Ei, geröstete Leber, die Nieren, das Herz.. später kommen die feinen Teile, aber auch Bauchfleisch und Schweinsohren, auf dem heißen Grill. Was in den Kesseln blubbert, wird zu Blutwurst und Breinwurst verarbeitet. Arbeiten und essen, feiern, musizieren und Vorräte anlegen – so geht Sautanz!

Es ist recht früh und klirrend kalt, Schneeflocken fallen vom Himmel, die aber angesichts der vielen Holzfeuer im Hof kaum den Boden erreichen. Es herrscht tiefster Winter im Burgenland – das perfekte Wetter und die richtige Zeit einen Sautanz zu feiern. Hackstock und Beile, Kessel und Griller sind hergerichtet, die vielen Feuer am Hof müssen nachgelegt werden.

Max Stiegl Sautanz

Der Sautanz ist tief in der bäuerlichen Tradition des Burgenlandes verwurzelt, auch wenn ihre Fortführung heute eher in den Händen von Gastronomen wie Max Stiegl liegt, denen die Regionalität in Fleisch und Blut übergegangen ist.

Vorratshaltung auf vier Beinen

Der Sautanz war immer ein Fest, das sich aus der bäuerlichen Wirtschaft und Vorratshaltung ergeben hat. Schweine waren die lebenden Vorratskammern der Höfe. Das ganz Jahr über wurden die Allesfresser mit allem gefüttert, was der Hof hergab. Der pannonische Herbst war der Ernte und Konservierung gewidmet. Spätestens wenn der Wein gekeltert und die Gänse gerupft waren, kehrte aber Ruhe und Kargheit ein. Und die Vorräte wurden weniger.

Vor Weihnachten bis spätestens Jänner oder Februar war dann Zeit für das Schlachtfest. Die Ölbei Oma aus Donnerskirchen erinnert sich, dass die ganze Familie Würste für das Weihnachtsfest geschenkt bekam, wenn geschlachtet wurde.

Die kalte Witterung erleichtert die Verarbeitung des Fleisches zusätzlich. Denn so eine Sau an einem Tag zu verwerten, ist Arbeit, die viele Helfer erfordert. Um Verwandte, Freunde und Nachbarn zu motivieren, wurde die Arbeit eben von üppigem Essen, Wein und Schnaps aus den Kellern und zu späterer Stunde von Musikern, der Sautanzmusi, begleitet. Und weil fast jede Familie zumindest ein Schwein zu schlachten hatte, war der lange Winter von Nachbarschaftshilfe und gemeinsamem, reichlichem Essen und Feiern akzentuiert. Feine Sache so ein Sautanz, der dem Überleben und ganz wenig dem Vergnügen diente.

Alte Haustierrasse vom Biobauern

Auch bei Haubenkoch Max Stiegl beginnt der Sautanz mit einer deftigen Stärkung, den Blutwürsten und Breinwürsten des letzten Sautanzes, die am Grill appetitlich vor sich brutzeln.

Denn wenn die Sau kommt, geht die Arbeit richtig los. Das Schwäbisch-Hällische Freilandschwein wurde vom Biobauer Andreas Schlögl auf seinem Archehof im Rabnitztal fast zwei Jahre lang in Freilandhaltung großgezogen. Denn es gibt sie tatsächlich, die Nutztiere, die ein glückliches Schweinleben führen. Man muss nur bei den richtigen Landwirt:innen einkaufen gehen. Eben solchen wir Andreas Schlögl, der sich der Erhaltung alter Haustierrassen verschrieben hat. Oder bei Hans Bauer, der in Wulkaprodersdorf aus seinen Heidewuggerl feinen pannonischen Wulkaprosciutto und zartschmelzenden Lardo macht. Die drei eint eines: der tiefe Respekt vor den Tieren und daraus resultierend die Verfeinerung der Kunst, das ganze Tier zur verwerten.

Nun packen alle an: Das Tier wird auf den Sauream aufgehängt, ein einfaches Holzgestell das zum Zerlegen dient. Früher musste die Sau erst noch geschlachtet und ausgeblutet werden, das Blut gerührt, und das Tier im Trog mit Schweinspech und heißem Wasser von den Borsten befreit werden.

Lasst den Sautanz beginnen!

Max Stiegl, nie um kulinarische Herausforderungen verlegen, serviert als erstes fein aufgeschnittene Scheiben vom Herz – Herz-Sashimi nennt er es. Ein erstes gewagtes Amuse-Gueule.

Während der Fleischhauer mit dem Zerlegen der Sau beginnt, macht Max Stiegl sich daran, ein Sautanz Gericht nach dem anderen zuzubereiten.

Der Vormittag ist den Innereien gewidmet – auch hier bestimmt die bäuerliche Logik die Küchenlinie. Die Innereien verderben schnell und konnten nicht aufbewahrt werden. Deswegen wurden sie als erstes mit der Sautanz Gesellschaft gegessen.

In einer großen gusseisernen Pfanne wird Hirn mit Ei gekocht und Ajvar oder Schnittlauchpesto verfeinert. In den befeuerten Kesseln blubbert Beuschel, geröstete Leber, das Herz veredelt ein Erdäpfelgulasch und die Nieren werden würzig mit Pernod verfeinert, serviert. Gegessen wird im Stehen vom Rauch umhüllt, im Schnee in der Kälte. Zum Erwärmen gibt es Glühwein oder eine feine Selektion burgenländischer Weine, die Laszlo unermüdlich ausschenkt.

Grammeln rühren, Würste machen

Währenddessen sind aus der ganzen Sau handliche Teile geworden. Einer der Vorzüge der alten Rassen ist ja die dicke Speckschwarte. Der dicke, weiße Bauchspeck wird in Würfel geschnitten und landet in einem der Kessel, wo er sich langsam in knusprige Grammeln und viele Liter Schweineschmalz verwandelt. Ein großer Holzlöffel und viel Geduld und Kraft beim Rühren sind dazu nötig. Das stundenlange Grammeln rühren war früher ebenso Frauensache wie das Reinigen der Därme für die Würste.

Der Schädel, die Lunge und das Bauchfleisch wandern in den zweiten Kessel, in dem schon einiges Wurzelgemüse schwimmt. Nach einigen Stunden wird dieses Fleisch in die Würste wandern.

Für die Filets und feine Fleischteile hat Max Stiegl einen Trick aus Spanien: auf die zischend heiße Grillplatte kommt grobkörniges Meersalz, dass dafür sorgt, dass das Fleisch beim Braten ganz zart wird. Aus der Küche kommt ein traumhafter Schweinsbraten mit goldener, knuspriger Schwarte.

Und hier zeigt sich ein weiterer Vorzug der Schwäbisch-Hällischen Freilandschweine, die sich Sommer und Winter im Freiland bewegen: die unvergleichliche Fleischqualität, g’schmackig, kräftig, dennoch zart.

From nose to tail – beim Sautanz wird nichts verschwendet

Das oberste Gebot des Sautanzes ist es, alles zu verwerten. Für Verschwendung war am Bauernhof kein Platz. From nose to tail wird bei Max Stiegls Sautanz in Form von Schweinsohrenbroten und Schweineschwanzerl am Grill in die Tat umgesetzt. Pork Tatar ist vielleicht das einzige Gericht, das die Alten nicht kannten.  

Der schweinisch-sinnliche Genussreigen ist noch lange nicht am Ende. Nun werden aus faschiertem Fleisch, dem Blut, Fett, altem Brot und Gewürzen wie dem im Burgenland unverzichtbaren Majoran, dem Brät, frische Würste, Blutwürste und Breinwürste gemacht. Kleine Burger landen auch am Grill. Frischer Kren wird über vorzügliches zartes Bauchfleisch gerieben.

Die Backen aus dem Sauschädel werden nach altem ungarischen Rezept mit Knoblauch und Paprika eingerieben. Während das Fleisch an der eisigen Luft erkaltet, ziehen die Gewürze tief ein und verwandeln es in einen würzigen frischen Speck. Auch die kleinen Langos mit Rahm sind ein kulinarischer Gruß vom Balkan, der die pannonische Küche immer schon bereichert hat.

Und weil ein Sautanz auch ein ausgelassenes Fest ist, spielt am Nachmittag, Schnee und Kälte zum Trotz, eine Gipsy-Band im Innenhof auf.

Vom Sautanz in die Vorratskammer

Nur wer an die 150 Gäste hat, kann eine Sau auf einmal aufessen. Früher war der Sinn der Sache die Vorratskammern aufzufüllen. Also wurden noch Würste und Speck geräuchert, geselcht und Grammeln und Schweineschmalz abgefüllt. Wer mit alten Burgenländer:innen spricht, hört oft, dass es Zeiten gab, wo es nichts mehr als Schmalz und Brot zum Essen gab. Oder den Bohnensterz, das Soulfood der Burgenländer, der aus Mehl, weißen Bohnen und Schmalz zubereitet wurde.

Da in den burgenländischen Dörfern keine Gelegenheit für derbe Späße ausgelassen wurde, war auch das Sauschädelstehlen eine Mordsgaudi für die Jugend. Wer es schaffte, den Sauschädel zu entwenden, lief damit ins Wirtshaus und musste dort wieder ausgelöst werden. Ein paar Schnapserl mehr, um die Laune beim Sautanz zu befeuern.

Hier findet man ein lustiges Video zu einem Sautanz in den 1980er Jahren.

Wo kann man Sautanz feiern?

Max Stiegl / Gut Purbach – Erlebnis Sautanz

BIG Sautanz mit The Butcher Hans Schwarz

Sautanzwochen auf der Speisekarte gibt es gelegentlich in der südburgenländischen Uhudlerei Mirth, beim Raffl in Jennersdorf und im Weingut Reichart in Donnerskirchen.

Die Sautanz-Rezepte hat Max Stiegl auch in einem wunderbar illustrierten Kochbuch gesammelt.

Fotos: Hans-Jürgen Luntzer, Sigrid Weiß/Genuss Burgenland