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Marktgärtnerei – nach Pariser Mode!

Der junge Landwirt Paul Reiner hat im burgenländischen Seewinkel, in Frauenkirchen, ein sehr individuelles Konzept umgesetzt: eine Marktgärtnerei. Die Idee stammt aus Paris und galt dort als Nahversorgung für die Großstadt. Nach diesen Prinzipien baut er nun sonnengereiftes Bio-Gemüse auf sehr wenig Platz an!

Die Pariser Marktgärtner:innen

Die Wurzeln der Marktgärtnerei, die nun gerade rund um den Globus wiederentdeckt wird, liegen in Paris des 19. Jahrhunderts. Dieses Gärtnereisystem war sehr klein strukturiert, lieferte aber sehr hohe Erträge. Deshalb sieht man sich heute wieder genauer an, was den Erfolg damals ausgemacht hat. Immerhin belieferten die französischen Marktgärtner:innen 1/3 des Pariser Gemüsebedarfs und erzielten bis zu neun Ernten im Jahr!

Über die Marktgärtnerei

Regionalität: Die gärtnerischen Anlagen befanden sich in oder unmittelbar außerhalb von Paris, was sehr kurze Transportwege ermöglichte.

Vielfalt & Qualität: durch den Anbau von vielen verschiedene Gemüsesorten und Wintergemüse wurde die Pariser Bevölkerung das ganze Jahr über mit frischem Gemüse versorgt.

Produktivität & Boden: Die kleinen Flächen, oft nur ½ Hektar groß, wurden intensiv genutzt, genauestens verplant und in Handarbeit bewirtschaftet. Das spart Platz, denn Maschinen benötigen Platz am Feld, zudem wird der Boden nicht verdichtet.

Düngung & Nachhaltigkeit: Der Boden wurde nicht umgegraben und zudem mit dem damals reichlich anfallenden Pferdemist der Kutschen und Nutztiere gedüngt. Pferdemist erzeugte auch Wärme, die Bodenfruchtbarkeit wuchs über die Jahre beständig an.

Bio-Gemüse aus dem Seewinkel – nicht nur im Sommer

Der Seewinkel mit seinen vielen Sonnenstunden ist ein hervorragender Platz, um sich dem Gemüseanbau zu widmen. Wenn man in der Landwirtschaft groß geworden ist, um so mehr. Die Eltern Paul und Sabine haben sich mit Reiners Erdbeeren und einem Gemüsefeld zum selbst ernten in Frauenkirchen einen Namen gemacht. Vor allem türkische Großfamilien kamen immer gerne, um Paprika, Fisolen, Kraut und Petersilie zu günstigen Preisen selbst vom Feld zu ernten.

Für sich selbst wählte Paul Reiner nach seinem Studium die Marktgärtnerei als Inspiration. Im Hofladen ist er groß geworden, der Kontakt mit den Menschen liegt ihm. „Ein Typ, der gern am Traktor sitzt, bin ich nicht.“

Also widmet er sich der Handarbeit, der Bodenpflege, der Sortenvielfalt und dem Direktvertrieb. Und stellt in der Marktgärtnerei herausragend aromatisches Gemüse her – das ganze Jahr über.

Statt Pferdemist setzt er auf Kompost, die Beete sind schmal und dicht bepflanzt!

Auch das Bodenleben ist wichtig, hier wird nicht umgegraben, um die Bodenkulturen zu erhalten. Der Boden ist immer begrünt, sei es mit Gemüsesaat oder Zwischensaaten. Buchweizen, Ringelblume und Senf, reichern den Boden wieder mit Stickstoff an. Phosphor schließt ihn auf und fördert das Bodenleben. Dadurch wird Erosion vermieden. Gerade im Seewinkel, wo immer der Wind über die Ebene bläst, eine wichtige Maßnahme. Auch eine Verdichtung des Bodens wird durch den Verzicht auf schwere Maschinen vermieden. Die Gerätschaften sind klassische Grabgabeln oder ein einspuriges Saatgerät, das höchstens an ein Fahrrad erinnert.

Sortenvielfalt & Wintergemüse

Während noch die süßesten Paradeiser, knackige Melanzani und pralle Paprika geerntet werden, steht auch schon das erste Wintergemüse auf den Feldern. Verschiedene Kohlarten, Wintersalate, Pak Choi, Rotkraut, Kohlsprossen, Zwiebel, Knoblauch stehen auf knappen 5000 m2 im Freiland, rund 1000 m2 kommen noch in Folientunneln dazu. Erstaunlich, was auch bei uns im Winter wächst. Und wie falsch die Überzeugung, dass man dann nur noch von Importen leben kann!

Wichtig ist der Wechsel der Gemüsesorten, angepasst an die Jahreszeit, aber auch die Bodenfruchtbarkeit. 50 bis 60 Gemüsearten, und mehr als hundert Sorten pflanzt er das Jahr über an. Statt dem Pferdemist der Pariser bezieht er nun Kompost, der aus dem Biomüll der Stadtbevölkerung erzeugt wird.

Gänse und Hühner gehören auch zur Marktgärtnerei. In Zukunft will Paul Reiner noch viele Obstbäume setzen, der Früchte wegen, aber auch um den Wind seine Kraft zu nehmen und geschützte Bereiche zu schaffen.

Direktvermarktung im Hofladen in Frauenkirchen

Kurz vor der Ausfahrt aus Frauenkirchen, in Richtung St. Martins Therme, findet man den Hofladen der Familie Reiner, der viele Stammkunden hat.

Außerdem beliefert Paul Reiner einige Lokale, wie das Lokalaugenschein in Podersdorf, die La Takeria in Neusiedl/ See oder den Archehof zur Grube in Podersdorf. Jeden Samstag steht er mit seiner bunten Auswahl am Meidlinger Markt – in bester Tradition der Pariser Marktgärtner*innen, das Gemüse in die Stadt zu bringen.

Dort erstaunt er seine Kundschaften nicht nur mit typisch Pannonischem wie Paprika, Zwiebel und Knoblauch, sondern auch mit Raritäten und Exotischem: Green Tiger und Black Cherry Tomaten, süße Physalis, Süßkartoffeln, Palmkohl, Violacea di Verona -einer Kohlsorte, oder French Breakfast Radieschen.

Marktgärtnerei als Hebel für Lebensmittelsouveränität

„Die Marktgärtnerei wäre sicher eine Möglichkeit, jede Ortschaft mit Biogemüse zu versorgen. Sie nutzt vorhandene Ressourcen, vermeidet Transportwege um den halben Globus und produziert erstklassige Qualität. Wie wichtig eine unabhängige Versorgung vor Ort ist, hat man ja erst in den Lockdowns gesehen. Außerdem ist die Marktgärtnerei ein Konzept, das man auch mit wenig Kapital starten kann. Das können auch Menschen umsetzen, die keinen großen Hof geerbt haben“ ist der innovative Jungbauer von dem Konzept überzeugt.

Auch BIO Austria hat den Trend erkannt, und bietet regelmäßig Kurse an, die auch bei Quereinsteigern gut ankommen.

Auch im Burgenland hat er Mitstreiter:innen, etwa Clara Heinrich, aus der großen Winzerfamilie in Gols mit ihrem Clarance Garden, Die Flur in Bruck von Alex Walzer, der 5 Jahre bei Spitzenköchen in New York war, oder das Gartenkistl in Mönchhof, das ein ehemaliger Koch der Vila Vita, Chris Weinart, betreibt.

Man sieht – Menschen mit geschultem Geschmack legen Wert auf ausgereiftes, aromatisches Biogemüse, das in lebendiger Erde wächst!

Hofladen in Frauenkirchen

Franziskanerstraße 45 (Richtung St. Martins Therme)
7132 Frauenkirchen
Ab September von Mi bis So von 08:30 bis 19:30 Uhr
www.reiners.at

Fotos: Genuss Burgenland/Sigrid Weiß